Schadensbearbeitung bei der Spedition

1) Ausgangslage

Diese Abhandlung behandelt ausschließlich die Gegebenheiten und Anforderungen im internationalen LKW-Verkehr und somit das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR).

Obwohl ein Spediteur im Allgemeinen auf der Grundlage der Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp) arbeitet, bestimmt §459 HGB, dass ein Spediteur, der zu „festen Sätzen“ (=Übernahmesatz, Frachtpauschale o.ä.) arbeitet, hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat. Da ca. 99 % aller Schäden, die einem LKW-Spediteur passieren können, während der Beförderung (auch transportbedingte Zwischenlagerung, Umschlagstätigkeiten gelten als „Beförderung“), ist der Hinweis auf die ADSp in Bezug auf die Haftung folglich mehr theoretisch. In der Praxis wird im Regelfall das Frachtrecht zur Anwendung kommen, hier das CMR.

2) Begriffsdefinitionen

Frachtführer: Ist der ausführende oder der vertragliche Frachtführer. Frachtführer ist jeder, der einen Beförderungsauftrag gegen Entgelt hat, egal, ob er den Auftrag selbst ausführt, an einen anderen Frachtführer weitergibt oder mehrere Teilbeförderungen durch unterschiedliche Frachtführer zu einer Gesamtleistung kombiniert.

Beförderung: Der gesamte Zeitraum von der Übernahme des Gutes an der ersten Ladestelle bis zur Ablieferung an der vorgesehenen Entladestelle einschließlich aller Umschlags-/Umladevorgänge. In der Regel beginnt die Beförderung, sobald das Gut auf dem ersten Beförderungsmittel an der ersten Ladestelle verladen und gesichert ist und endet mit Herstellung der Entladebereitschaft beim frachtbrief­mäßigen Empfänger. Einzelvertraglich kann jedoch der Beförderungsbegriff ausgeweitet werden und z. B. das Verladen oder Entladen beinhalten.

Lieferfrist: Ist die Frist, innerhalb derer das Gut vertragsgemäß abzuliefern ist, ist eine solche nicht vereinbart, gilt als Lieferfrist die Frist, die einem „sorgfältigen Frachtführer vernünftigerweise zuzubilligen ist“ (dürfte im Europa-Verkehr bei etwa einer Woche liegen, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab und ist letztendlich Entscheidung des Gerichts).

Schaden im Sinne dieser Abhandlung kann sein:

a) Ein Güterschaden: Eine Sendung oder ein Teil einer Sendung wird während der Beförderung beschädigt oder geht verloren, Haftung gegeben nach Artikel 17, 23 CMR

b) Ein Güterfolgeschaden: Hierbei handelt es sich um einen Vermögensschaden, der unmittelbare Folge eines Güterschadens ist; Beispiel: Eine Lieferung Fenster trifft beschädigt auf der Baustelle ein, weswegen die Monteure nicht arbeiten können. Güterfolgeschaden ist also die vertane Arbeitszeit der Monteure mangels verwendungsfähigem Material – keine Haftung nach CMR

c) Ein Vermögensschaden: Nach CMR führt lediglich die Überschreitung der Lieferfrist (Artikel 19 CMR)zu einer Frachtführerhaftung. Nach ADSp können darüber hinaus noch regulierungspflichtige Vermögensschäden z. B. dadurch verursacht werden, dass bei Dreiecksgeschäften Neutralitätspflichten nicht eingehalten werden, seitens des Auftraggebers vorgeschriebene Dokumente nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt werden usw.

3) Kenntnisnahme eines Schadens

Von einem Schadensereignis kann man erfahren durch
a) Eine entsprechende Reklamation des Versenders oder Empfängers
b) Eine Fahrermeldung
c) Den Entladebericht eines Empfangsspediteurs
d) Durch Inaugenscheinnahme (Kiste steht am Lager und ist kaputt)
e) Abschreibungen auf einer Abieferquittung
f) Auf andere Weise
JEDER kann behaupten, ihm sei ein Schaden zugefügt worden und nicht jeder Schaden führt zwangsläufig zu einer Haftung.

4) Haftungsausschlüsse

Der Frachtführer (Spediteur) haftet nicht, wenn

a) Schadensursache fehlende oder mangelhafte Verpackung ist
b) Schadensursache fehlerhafte Verladung, Verstauung oder Entladung durch den Versender, den Empfänger oder in deren Auftrag handelnde Dritte ist (Aber Achtung: a) Mitwirkungspflicht des Fahrers bei der Ladungssicherung und b) kein Ausschlussgrund, wenn die Verladung/Verstauung/Entladung Bestandteil der Beförderung ist)
c) Schadensursache die natürliche Beschaffenheit des Gutes ist (z. B. Rostschäden, sofern das Gut weder im Freien gelagert wurde noch unter undichter Plane befördert wurde, der Frachtführer also keinen Anteil am Rostschaden hat)
d) Mangelhafte Markierung
e) Das Schadensereignis durch den Frachtführer auch bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht vermieden werden konnte (sog. Unabwendbares Ereignis). Dies ist häufig Gegenstand von Gerichtsverfahren: Ist eine Beraubung ein unabwendbares Ereignis gewesen oder nicht?
f) Höhere Gewalt oder Maßnahmen von Hoher Hand, sofern das Ereignis für den Frachtführer unvermeidbar war (Sturm über der Nordsee, deswegen Fährdiensteinstellung und daraus folgernde Lieferfristüberschreitung ist also nur dann haftungsausschließend, wenn dieser Sturm für den Frachtführer/Fahrer nicht vorhersehbar war und eine Umbuchung auf den Eurotunnel objektiv nicht möglich war – es kann dem Frachtführer durchaus zugemutet werden, Gefahrgut in Calais auszuladen, wenn dadurch die Umbuchung auf den Eurotunnel ermöglicht und der Schaden so vermieden oder wenigstens gemindert werden kann).

5) Haftung

Der Frachtführer haftet nach CMR für Güterschäden in Höhe des Warenwerts, jedoch Maximal mit 8,33 Sonderziehungsrechten (SZR) pro kg brutto des verlorenen oder beschäftigten Gutes. Im Falle von Lieferfristüberschreitungen haftet der Frachtführer in Höhe des nachgewiesenen Schadens, maximal bis zur Höhe der vereinbarten Fracht. Der Umrechnungskurs des SZR kann z. B. auf der Homepage www.schunck.de ermittelt werden und wird auch wöchentlich in der DVZ veröffentlicht.

Im Falle qualifizierten Verschuldens (grobes Organisationsverschulden) kann sich der Frachtführer auf Haftungsbeschränkungen nicht berufen und die Gerichte legen diesen Begriff sehr streng aus. Grobes Organisationsverschulden kann bereit sein, einen unbewachten Parkplatz anzufahren, wenn hochwertiges Gut geladen ist oder Packstückmarkierungen (Hier oben, nicht belasten o.ä.) nicht beachtet werden

6) Regress

Probleme beim Regress können sich u.a. ergeben, wenn

a) Der Schaden auf einem Teil der Beförderungskette eingetreten ist, der nicht dem CMR unterliegt. Zwei Beispiele:

i) Auftrag: Erfurt-Birmingham, Haftungsgrundlage CMR. Sendung wird am Umschlagslager Saalfeld durch den Gabelstapler beschädigt. Haftung 8,33 SZR, Regress gem. Zi. 23 ADSp € 5,00, Deckungslücke ca. 4,50 € pro kg.
ii) Auftrag: Erfurt-Birmingham, Haftungsgrundlage CMR. Sendung wird bei der Zustellung durch den englischen Empfangsspediteur beschädigt. Dieser haftet nach BIFA mit 2 SZR, Deckungslücke ca. 7,35 €/kg

b) Die Schadenursache bzw. der Schadenverursacher nicht klar ist
c) Die Einschaltung eines Sachverständigen (Cargo Surveyors) angeraten erscheint – insbesondere im Zusammenhang mit b) und d) gut zu überlegen
d) Bei hohen Schadenssummen (ab ca. 5000 €)
e) Nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig haftbar gehalten wurde
f) die Verjährung inzwischen eingetreten ist (Im Regelfall 1 Jahr, bei qualifiziertem Verschulden 3 Jahre, wegen Lieferfristüberschreitung 21 Tage, wegen verdeckter Schäden 7 Tage). Verjährungsbeginn ist unterschiedlich – siehe Art. 32 CMR, § 439 HGB
g) Wenn keine Verrechnungsmöglichkeit besteht, insbesondere bei ausländischen Schadenverursachern

7) Handlungsanweisung

a) Schadenverursacher feststellen: Schnittstellenkontrolle, Abliefernachweise prüfen.
b) Haftungsausschlüsse (siehe 4) abprüfen
c) Ggf. Schaden mindernde Maßnahmen einleiten, z. B. Suchmeldung, Lagersturz, Bestellung eines Sachverständigen (nur über Haftungsversicherer!)
d) Regress sichern: Unverzüglich alle Beteiligten, die als Schadenverursacher infrage kommen, haftbar halten. Beachte: Mit Zugang der Haftbarhaltung ist die Verjährung unterbrochen, Eile ist in diesem Punkt also geboten.
e) Eingehende Haftbarhaltungen unverzüglich zurückweisen, unabhängig von einer Schuldfrage. Die Zurückweisung lässt die Verjährungsfrist weiterlaufen.
f) Soll der Schaden dem Verkehrshaftungsversicherer vorgelegt werden oder besteht die Möglichkeit, dass diese Entscheidung noch gefällt werden muss, vorsorgliche Schadenmeldung an den Haftungsversicherer und zwar innerhalb eines Monats nach Kenntnis des Schadens
g) Qualifizierten Schadenersatzanspruch abwarten

8) Qualifizierter Schadensersatzanspruch

Der Schadenersatzanspruch ist zu stellen (durch eine Schadenrechnung oder ein entsprechendes Schreiben) und ist dem Grunde nach (z. B. durch Übernahme- und Ablieferquittung sowie Speditionsauftrag) und der Höhe nach (durch einen Wertnachweis / Handelsrechnung o.ä.) nachzuweisen. Da der Frachtführer nach gewicht haftet, muss außerdem ein Gewichtsnachweis (z. B. durch packliste) erbracht werden.

Sämtliche eingehenden Schadenunterlagen für die Akte kopieren und je nach Entscheidung entweder an den Schadenverursacher (mit entsprechendem Anschreiben / Schadenrechnung) oder an den Versicherer (mit Schadenmeldung) weiterzuleiten. Das ganze rasch, weil die Verjährung gehemmt ist, solange der Schadenersatzanspruch nicht zurückgewiesen ist.
Akte bis zur endgültigen Entscheidung /Zahlungseingang überwachen.

© 19.01.2007 Reiner Bielicke / Lehnert & Co